Arthrose ist auch im Rehabilitationssport und Funktionstraining eines der häufigsten zu behandelnden Krankheitsbilder.

Im Kern der Erkrankung degeneriert der Gelenkknorpel. Dabei reduziert sich sein Volumen (Dicke/Höhe), weil Knorpelzellen und -fasern zerstört werden und die Gesamtstruktur Wasser verliert.

Der zum Bindegewebe zählende hyaline Gelenkknorpel besteht aus nur wenigen Zellen (Chondrozyten) und der Matrix, die u.a. die Grundsubstanz und kollagene Fasern enthält.

Einmal zerstörte Knorpelzellen werden nicht mehr ersetzt, da im erwachsenen Knorpel keine Zellteilung mehr stattfindet.  Der Stoffwechsel des erwachsenen Gelenkknorpels läuft im Unterschied zum kindlichen und jugendlichen anaerob und träge. Für einen kompletten Turnover zur Regeneration/Reparatur der Typ-2-Kollagenfasern braucht der Knorpel mindestens 60-120 Jahre. Infolge dieser Bedingungen ist eine konservative Knorpelheilung durch Fasersynthese in einer normalen Lebensspanne praktisch ausgeschlossen.

Obwohl dieser Nachteil die Heilungserwartungen bei konservativen Therapieverfahren deutlich einschränkt, lohnt es sich, die Arthrose konservativ zu behandeln, weil es Therapiemethoden gibt, die Gelenkfunktion und Schmerzsituation verbessern können.

 

Wir, die Therapeuten im REHA-Sport-Verein MEDIGYM, behandeln Arthrosen mit folgenden Methoden:

 

            1. Knorpeltherapie durch Mechanotransduktion:

Mittels spezifischer Behandlungsmethoden lässt sich die Druckstabilität auch des bereits geschädigten Knorpels effektiv verbessern.

Hauptangriffspunkt ist die Grundsubstanz des Knorpels, die sich im Wesentlichen aus Glykosaminoglykanen, Proteoglykanen und Glykoproteinen zusammensetzt. Zu den Glykosaminoglykanen zählen u.a. Chondroitinsulfat und Hyaluronsäure, die eine sehr hohe Wasserbindungsfähigkeit haben.

Durch eine Knorpeltherapie, die Druck-/Belastungsreize und Entlastungs-/Erholungsphasen optimal einsetzt und kombiniert, kann die Grundsubstanz und damit schließlich der ganze Knorpel entscheidend stabilisiert werden.

Vor allem Chondroitinsulfat und Hyaluronsäure entwickeln dabei eine stärkere chemische Bindungsaktivität und bauen sich dadurch vermehrt in die Proteoglykanketten ein, so dass längere kovalente (chemisch sehr stabile) Proteoglykanverbindungen (Proteoglykanaggrekane) entstehen. Mit den Glykosaminoglykanen wird auch vermehrt Wasser in den Proteoglykanen gebunden, wodurch der Knorpel etwas an Volumen, d.h. an Dicke, gewinnt.

Je länger die Proteoglykanketten, desto druck-stabiler ist im Ergebnis der Knorpel.

Die mechanotransduktiven Knorpel-Behandlungstechniken (intermittierende, oszillierende, vibrierende und walkende Kompressionen), die in der Physiotherapie, manuellen Therapie, medizinischen Trainingstherapie und Sporttherapie angewendet werden, setzen wir in Form von Auto(Selbst)- und Partnerübungen auch in rehabilitativen Gruppenprogrammen wie dem Rehabilitationssport und Funktionstraining ein, um die beschriebenen Wirkungsmechanismen und weitere Effekte (Trophikverbesserung; Synthesesteigerung der Chondrozyten; Viskositätsreduzierung, also Verflüssigung, und pH-Wert-Anstieg, also Säure-Senkung, der Synovia/Gelenkflüssigkeit) auszulösen.

 

            2. Therapie des „elastischen“ Bindegewebes:

Weil im Zuge der Knorpeldegeneration auch andere Bausteine/Strukturen des Gelenks oder in dessen anatomischer und funktioneller Umgebung ihre Funktion verschlechtern und ihren Aufbau nachteilig verändern, sind weitere Behandlungsmethoden nötig.

Vor allem die bindegewebigen Strukturen (Gelenkkapseln, Ligamente/Bänder und Faszien) werden im Verlauf arthrotischer Prozese biomechanisch-funktional anders beansprucht, z.T. mehr, z.T. weniger, und verändern sich strukturell, indem sie sich in Richtung weniger stabil und weniger elastisch umbauen, was wiederum die degenerativ-arthrotischen Prozesse begünstigt. Kapselmuster (gelenktypische Bewegungseinschränkungen) und myo-fasziale (muskulär-bindegewebige) Dysbalancen (bis hin zu Kontrakturen) sind Ergebnisse solcher Veränderungsprozesse, mit denen sich therapeutische Ansätze auseinandersetzen müssen.

Infolge ihrer veränderten biomechanischen und strukturellen Bedingungen reagieren die elastisch-bindegewebigen Bausteine mit Schmerzafferenzen (Schmerzsignalen in Richtung des zentralen Nervensystems). Insbesondere die Gelenkkapsel löst so die Gelenkschmerzen aus und bekanntermaßen nicht der ursächlich defekte Gelenkknorpel, weil der nicht mit Nozizeptoren (Schmerzmessfühlern) ausgestattet ist.

Ob der subchondrale (direkt unter dem Knorpel liegende) Knochenanteil z.T. oder überhaupt im Schmerzgeschehen eine Rolle spielt, ist fraglich und anzuzweifeln, denn Knochen sind vorwiegend periostal (in der Knochenhaut) und im Mark nozizeptorisch (schmerzsensitiv) innerviert, aber zunächst nicht in der subchondralen Zone.

Die funktionelle Arbeit mit den muskulären und bindegewebigen stabil-elastischen Strukturen ist deshalb elementar wichtig gegen die Arthroseentwicklung. Mobilisationstechniken und stabilisierende Arbeitsformen stehen uns variantenreich auch im Rehasport und Funktionstraining zur Verfügung. Ihre Effektivität hängt ab von ihrem spezifischen Einsatz.

So beinhalten aktiv-dynamische ballistische, reaktive und den Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus auslösende Arbeitsformen (z.B. plyometrisches Training) und Techniken der Bindegewebemassage (mittels u.a. Faszienrollen, aber auch ohne Hilfsmittel) die größten Wirkungspotentiale zur Mobilisation und Stabilisation des elastischen Bindegewebes und damit für gelenkfunktionale Verbesserungen und Schmerzreduzierungen.

 

            3. Therapeutisches Muskeltraining:

Die Mobilisationstechniken, die wir (auch im Rehasport und Funktionstraining) muskulär und neuromuskulär einsetzen, um Kontrakturen zu reduzieren, wirken reziprok(entgegengesetzt)-hemmend, um den durch die Muskelspindeln vermittelten, hier kontraproduktiven Muskel-Dehnungs-Reflex auszuschalten.

In der stabilisierenden Muskelarbeit hingegen  aktivieren wir den Muskelspindelreflex und nutzen ihn, um kurzfristige Wirkungen zu erzielen.

Mittels Koordinationstrainings, insbesondere in Form des sensomotorisch-propriozeptiven Trainings, und mittels Krafttrainings (muskelaufbauend, inter- und intramuskulär) lösen wir kurzfristig-schnelle bzw. langsam ablaufende Anpassungen aus, die das arthrotische Gelenk stabilisieren.

 

           4. Neuro-myo-fasziale Therapie:

Eine Gelenkarthrose kann nicht nur lokal, sondern auch weitergehend Schmerzen (referred pain) verursachen, indem eine regionale oder segmentale Ausweitung auf benachbarte Strukturen und Bausteine stattfindet.

Verantwortlich dafür ist die von den Nozizeptoren der unmittelbar betroffenen Gelenkkapsel afferent ausgelöste und im zugehörigen Spinalganglion stattfindende Ausschüttung des Neurotransmitters Substanz P in das direkt betroffene lokale Schmerzfach Gelenkkapsel im Spinalganglion des betroffenen Innervationsgebiets, wodurch die erste, lokal begrenzte Schmerzreaktion entsteht.

Die dabei verbrauchte Substanz P wird folgend im Übermaß im Spinalganglion nachgebildet und vermehrt ins Schmerzfach ausgeschüttet, nachdem der erste Schmerz aufgrund des Verbrauchs des ersten Substanz-P-Vorrats abgeebbt ist. Wenn der Patient in seiner Schmerzwahrnehmung eher nicht selektiv veranlagt ist, wird das neue Substanz-P-Kontingent auch auf die Nachbarschmerzfächer im Spinalganglion ausgeschüttet und bewirkt so eine Schmerzausweitung auf die regionalen Nachbarstrukturen des Defekt- oder Entzündungsorts (Ligamente, Menisken, Muskeln, Knochen, Haut).

Die vom Nozizeptor ausgelöste Schmerzafferenz wird über das Hinterhorn und den Tractus Spinothalamikus im Rückenmark weitergeleitet zum Thalamus im Gehirn, der die Substanz-P-Produktion und -Ausschüttung im Spinalganglion ebenfalls verstärkt.

Im Resultat entsteht soviel Substanz P, dass es für ein Überschwappen auf das nächstdarunterliegende Rückenmark-Segment reicht, wodurch sich der Schmerz auf die Strukturen, die am Rückenmarksegment eine Etage tiefer hängen, ausweitet und dort nicht selten sogar dominanter auftritt als im betroffenen Segment, weil das untere Segment mehr Substanz P abbekommt als im Vergleich oben benötigt wird. So kann es passieren, dass bei einer vorliegenden Hüftgelenkarthrose (Rückenmarksegment-Dermatome L1, L2) das darunterliegende gesunde Kniegelenk (Rückenmarksegment-Dermatome L4, L5) stärker schmerzt als das arthrotische Hüftgelenk.

So können ganze (Rückenmark-)Segmente schmerzhaft geschaltet werden (z.B. L3, L4, L5, S1, S2 im Fall einer Kniegelenkarthrose) und einzelne bis alle Bausteine, die nerval diesen Segmenten angeschlossen sind, funktionsgestört und schmerzhaft reagieren (z.B. Muskeln, Faszien), so dass die Therapie das gesamte Rückenmarksegment einbeziehen muss. Im Fall einer Arthrose im Bereich der unteren Extremitäten sollten die LWS und die Iliosakralgelenke deshalb konsequenter- und sinnvollerweise mittherapiert werden.

Das Überangebot Substanz P reicht u.U. auch für eine ausgeweitete Ausschüttung über den präganglionären Grenzstrang in die zum RM-Segment gehörenden Sympathikus-Segmente des vegetativen Nervensystems (hier die Segmente Th9-L2), die dadurch „mitinfiziert“ werden und für eine z.T. auch schmerzbehaftete Irritation aller an diesen Sympathikussegmenten hängenden Organe (gesamte untere Extremitäten, innere Organe) sorgen können.

Das vegetative Nervensystem spielt bei arthrotischen Prozessen auch deshalb eine erhebliche Rolle, weil entgegen älterer Auffassung, wonach das VNS eigentlich keine direkte Verbindung zum Bewegungsapparat hat, jüngere Forschungen den Schluss nahelegen, dass es in den Faszien sympathische Nervenfasern gibt, die, durch z.B. arthrotischen Schmerzstress aktiviert, Spannungszunahmen in den Faszien bewirken und so rückwirkend die Arthrosesituation verschlimmern, indem sie den Druck aufs und ums Gelenk steigern.

Auch weil das vegetative Nervensystem die Gefäßdynamik im Bewegungsapparat (Vasokonstriktion/Gefäßverengung, -dilatation/Gefäßweitung) steuert,  kann es die Situation im arthrotischen Umfeld negativ beeinflussen, indem der Sympathikus für Vasokonstriktion in Bindegewebe und Muskulatur sorgt und sich dadurch der Tonus (Grundspannung) in den arthrosegelenkumlagernden Geweben erhöht.

Deshalb ist es auch bei Arthrosen wichtig, neben dem eigentlichen Schmerzort (im Beispiel das Hüftgelenk) den Sympathikus, der seinen Ursprung insgesamt in den Rückenmark-Segmenten C8 – L2 hat, in den Segmenten mitzutherapieren, denen die Arthrose-Region zugeordnet ist: also Th9/10-L2 bei einer Arthrose in einem Gelenk der unteren Extremitäten. Also wäre es förderlich, die untere Brustwirbelsäule inklusive der Costo-Transversal-Gelenke (Rippen-Brustwirbelquerfortsatzgelenke) und die obere Lendenwirbelsäule im Zuge der Arthrose-Therapie zu mobilisieren, um den Sympathikus, der mit seinen Grenzstrangganglien in der Hauptsache dorsal (hinten) im Brustkorb, vor den Rippenköpfchen, verortet ist, freizumachen und freizuhalten, d.h. vor stressenden Reizen zu schützen.

Neuro-muskuläre wie auch neuro-fasziale Ansätze sollten wesentlicher Bestandteil aktiver antiarthrotischer Behandlung sein, die Schmerzreduzierung und Bewegungsfreiheit als 

Grundlage der normalen Funktion des arthrotischen Gelenks zum Ziel hat – auch im Rehasport und Funktionstraining.

 

            5. Kapselmobilisation/Gleitmobilisation:

Durch die Knorpeldegeneration verändert sich die Oberfläche des Knorpels und dadurch auch die Biomechanik des Gelenks. Infolgedessen entwickelt die Gelenkkapsel ein sog. Kapselmuster; dabei verändert die Kapsel ihre Struktur so, dass in gelenktypischer Weise die Beweglichkeit eingeschränkt wird. Das arthrotische Gelenk lässt sich deshalb in typischen Richtungen nur noch (meist schmerzhaft) eingeschränkt bewegen. Dabei ist nicht nur die funktionale Elastizität, Beweglichkeit, der Kapsel eingeschränkt, sondern auch das Gleiten der korrespondierenden Partnerknorpelflächen zueinander gestört.

Mit für konkave, konvexe und plane Gelenke spezifischen Behandlungstechniken verbessern und normalisieren wir im Rehasport und im Funktionstraining (ebenfalls in Partner- und Autoübungen) das Gleitverhalten der Gelenkpartner und mobilisieren die Gelenkkapsel.

 

            6. Hilfreiche „Nebeneffekte“ nutzen:

Hilfreich ist, dass bei dynamischer Belastung die Reibung im Gelenk abnimmt, weil sich erstens die Viskosität (Konsistenz/Flüssigkeitsbeschaffenheit) der Synovia verringert, d.h. die Gelenkflüssigkeit dünnflüssiger und damit die Reibung an den Knorpeloberflächen reduziert wird, und zweitens sich die Synovia sehr bindungsaktiv zum Knorpel verhält und dadurch die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Partnerknorpel im Gelenk so verändert, dass eine elektro-chemische Abstoßungsreaktion zwischen beiden Knorpeln entsteht, welche die Knorpel in gewissem Maß auf "Gleit-Distanz" zueinender hält.

 

            Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die konservative dynamische Arthrosetherapie sich lohnt, auch und               im besonderen Maße im Rehabilitationssport und Funktionstraining. Eine gute Compliance (Akzeptanz und               Mitarbeit des Patienten) ist dabei allerdings eine entscheidende Voraussetzung.